02.11.2024, 22:28 - Wörter:
Herbstliches Calpheon
Der Wind wehte goldene, braune und rote Blätter durch die Straßen der Stadt. Die Strahlen der bald untergehenden Sonne spiegelten sich im Wasser des Flusses, auf dem einige Schiffe eifriger Händler und Reisender sich beeilten, vor der Dämmerung anzulegen, um ihre Waren ins Lager zu bringen oder rechtzeitig vor der Dunkelheit einen Unterschlupf zu finden, bevor die Tavernen wieder überfüllt waren.
Einige Schatten zogen über der Stadt vorbei, doch die Bewohner der Stadt blieben davon unbeirrt. Zumindest in den meisten Fällen.
Einer der Schatten näherte sich rasch und ein Drache mit blauweißen Schuppen landete mit letzter Kraft auf der Straße, etwa zwei Kilometer vor dem großen Tor, das über die Brücke hinein in die Stadt führte, am Ufer des Flusses. Die Landung war unsanft und er knickte mit den Vorderbeinen, die gleichzeitig seine Flughäute trugen, ein, sodass der Reiter sich festhalten musste, um nicht vornüber herunter zu fallen.
»Wer hat dir erlaubt, jetzt schon zu landen?«, brummte der Mann, der auf dem Rücken des Drachen saß, zusammen mit einigen Kisten, die offenbar Waren enthielten. Der Mann zog an den Zügeln, die eigentlich unnötig waren, da der Drache die Sprache sehr gut verstehen konnte. Aber offenbar gefiel es dem Zauberer, zu betonen, dass er der Reiter war und sein Reittier eben nur das, ein Tier.
»Soll ich etwa die letzten zwei Meilen zu Fuß gehen? Willst du, dass ich mir die Schuhe kaputt trete oder schmutzig mache?!«
Ein leises Grollen entkam dem Drachen, dem es schwer fiel, sich wieder aufzurappeln um weiter zu gehen. In erster Linie waren seine Arme völlig erschöpft von dem langen Flug, den er ohne Pause zurücklegen hatte müssen von Heidel bis hier her. Er war zwar ein Winddrache, was bedeutete, dass er schneller und weiter fliegen konnte als Feuerdrachen, und unter normalen Umständen wäre die Strecke keine große Hürde für ihn gewesen.
Die zusätzliche Last allerdings war es durchaus, da sein Körperbau nicht dafür gedacht war, schwere Gewichte zu tragen.
Während Feuerdrachen weitaus muskulöser waren und aufgrund des zusätzlichen Flügelpaares auch schwere Lasten und Reiter tragen konnten und selbst nach einem längeren Flug noch eine Strecke zu Fuß zurücklegen konnten, konnten Winddrachen das nicht. Ihr Knochenbau war leichter und deswegen sah man nur selten blaue Drachen, die Lasten transportierten, da sie dazu eigentlich nicht geeignet waren, da sie ihre Flügel sowohl zum Fliegen als auch zum Gehen benötigten.
Der Mann zog einen Stab, dessen Spitze aus Silber bestand, und drückte sie dem Drachen in die Flanke. »Los, los, ich werde bereits erwartet!«
Es war nicht sein Herr, aber das änderte wenig. Der Drache hätte den Mann sicherlich töten können, aber er wollte die Konsequenzen nicht tragen. Außerdem hätte ihm dann niemand mehr die Halskette abgenommen, die verhinderte, dass er sich in seine menschliche Gestalt verwandeln konnte.
Der sengende Schmerz des Silbers ließ ihn beinahe die Schwäche in den Gliedern vergessen; aber nur beinahe. Es änderte wenig daran, denn wenn man keine Kraft mehr hatte, konnte man auch keine mehr aufbringen. Außerdem waren die Enden der Zügel in seinem Mund ebenfalls aus Silber, sodass sein Gefühl dafür beinahe taub geworden war.
Mit schweren Schritten trottete er los, doch seine Krallen hinterließen Spuren im matschigen Boden der vom Regen aufgeweichten Straße, da er kaum noch die Kraft hatte, die Füße richtig zu heben. Auch seine Schwingen hingen trostlos zu Boden und seine Gestalt hatte nichts von der Anmut und Eleganz, die man normalerweise von einem Winddrachen erwartet hätte. Dazu kam der Schmutz, der seine blauen Schuppen beschmutzte, und ihn beinahe wie einen Erddrachen aussehen ließen, hätte er keine Flügel besessen. Doch auch diese waren aufgrund der hohen Belastung in den letzten Jahren bereits lädiert und teilweise waren die Häute löchrig geworden, was ihm einen verwegenen Ausdruck verlieh, auf den er jedoch nicht stolz war.
Worauf war er überhaupt noch stolz?
Seine Gedanken waren in der letzten Zeit immer seltener zu dem Jungen geglitten, den er vor vielen Jahren auf der Straße gefunden hatte.
Doch ab und zu gedachte er seiner noch, meistens in Momenten wie diesen, wenn er seinen Körper nicht verlassen konnte, aber wenigstens mit seinem Geist eine schönere Welt erkunden wollte.
Selbst dem Anblick der goldenen Sonne, die sich im Wasser spiegelte und den Horizont mit ihren Strahlen in orangene Töne tauchte, konnte er nichts abgewinnen. Trist hing sein Kopf nach unten und seine Bewegungen waren automatisch. Er dachte nur noch daran, dass sein Ziel bald erreicht war und er zumindest einige Stunden Schlaf bekommen würde, auch wenn diese nicht sehr erholsam waren auf einem harten Steinboden.
Die letzten Meter erwiesen sich allerdings als besonders schwierig. Seine Arme wollten ihm nicht mehr gehorchen und gaben schließlich einfach unter ihm nach, sodass er mit der Brust auf den Boden fiel – der Zauberer landete diesmal wirklich im Matsch der Straße.
Er hatte es nicht kommen sehen, aber er hätte es sich denken können, dass seine Kraft ihn irgendwann verlassen würde.
Der Zauberer hingegen bekam einen hochroten Kopf und fluchte. Dummerweise war das Missgeschick direkt vor dem Tor passiert, und das Gelächter der Stadtwachen war kaum zu überhören.
Doch Calhun bekam kaum mit, was der Zauberer schrie, und auch spürte er das Silber an seiner Haut nicht.
»Ich werde mein Geld zurückverlangen«, zeterte der Zauberer. »Das ist unerhört!«
Das Auge des Drachen richtete den Blick auf den Himmel, und plötzlich sah er das goldene Licht, das er vorhin nicht gesehen hatte, weil sein Geist von der Tristheit seiner Gedanken getrübt war.
Aber mit einem Mal hatte sich der dichte Nebelschleier gelichtet, und er sah die Schönheit der Sonne und des Wassers und der Berge im Hintergrund, die ihn die Strapazen und die körperlichen Beschwerden vergessen ließ.
Ich komme, dachte er. Ich komme, Mutter, Vater, Taron… Bald sehen wir uns wieder.
Dann schloss er die Augen – und es war ihm egal, was mit ihm geschehen würde, in diesem oder im nächsten Leben, denn er hatte die Hoffnung verloren, dass sich sein Schicksal je zum Besseren wenden würde.
Der Wind wehte goldene, braune und rote Blätter durch die Straßen der Stadt. Die Strahlen der bald untergehenden Sonne spiegelten sich im Wasser des Flusses, auf dem einige Schiffe eifriger Händler und Reisender sich beeilten, vor der Dämmerung anzulegen, um ihre Waren ins Lager zu bringen oder rechtzeitig vor der Dunkelheit einen Unterschlupf zu finden, bevor die Tavernen wieder überfüllt waren.
Einige Schatten zogen über der Stadt vorbei, doch die Bewohner der Stadt blieben davon unbeirrt. Zumindest in den meisten Fällen.
Einer der Schatten näherte sich rasch und ein Drache mit blauweißen Schuppen landete mit letzter Kraft auf der Straße, etwa zwei Kilometer vor dem großen Tor, das über die Brücke hinein in die Stadt führte, am Ufer des Flusses. Die Landung war unsanft und er knickte mit den Vorderbeinen, die gleichzeitig seine Flughäute trugen, ein, sodass der Reiter sich festhalten musste, um nicht vornüber herunter zu fallen.
»Wer hat dir erlaubt, jetzt schon zu landen?«, brummte der Mann, der auf dem Rücken des Drachen saß, zusammen mit einigen Kisten, die offenbar Waren enthielten. Der Mann zog an den Zügeln, die eigentlich unnötig waren, da der Drache die Sprache sehr gut verstehen konnte. Aber offenbar gefiel es dem Zauberer, zu betonen, dass er der Reiter war und sein Reittier eben nur das, ein Tier.
»Soll ich etwa die letzten zwei Meilen zu Fuß gehen? Willst du, dass ich mir die Schuhe kaputt trete oder schmutzig mache?!«
Ein leises Grollen entkam dem Drachen, dem es schwer fiel, sich wieder aufzurappeln um weiter zu gehen. In erster Linie waren seine Arme völlig erschöpft von dem langen Flug, den er ohne Pause zurücklegen hatte müssen von Heidel bis hier her. Er war zwar ein Winddrache, was bedeutete, dass er schneller und weiter fliegen konnte als Feuerdrachen, und unter normalen Umständen wäre die Strecke keine große Hürde für ihn gewesen.
Die zusätzliche Last allerdings war es durchaus, da sein Körperbau nicht dafür gedacht war, schwere Gewichte zu tragen.
Während Feuerdrachen weitaus muskulöser waren und aufgrund des zusätzlichen Flügelpaares auch schwere Lasten und Reiter tragen konnten und selbst nach einem längeren Flug noch eine Strecke zu Fuß zurücklegen konnten, konnten Winddrachen das nicht. Ihr Knochenbau war leichter und deswegen sah man nur selten blaue Drachen, die Lasten transportierten, da sie dazu eigentlich nicht geeignet waren, da sie ihre Flügel sowohl zum Fliegen als auch zum Gehen benötigten.
Der Mann zog einen Stab, dessen Spitze aus Silber bestand, und drückte sie dem Drachen in die Flanke. »Los, los, ich werde bereits erwartet!«
Es war nicht sein Herr, aber das änderte wenig. Der Drache hätte den Mann sicherlich töten können, aber er wollte die Konsequenzen nicht tragen. Außerdem hätte ihm dann niemand mehr die Halskette abgenommen, die verhinderte, dass er sich in seine menschliche Gestalt verwandeln konnte.
Der sengende Schmerz des Silbers ließ ihn beinahe die Schwäche in den Gliedern vergessen; aber nur beinahe. Es änderte wenig daran, denn wenn man keine Kraft mehr hatte, konnte man auch keine mehr aufbringen. Außerdem waren die Enden der Zügel in seinem Mund ebenfalls aus Silber, sodass sein Gefühl dafür beinahe taub geworden war.
Mit schweren Schritten trottete er los, doch seine Krallen hinterließen Spuren im matschigen Boden der vom Regen aufgeweichten Straße, da er kaum noch die Kraft hatte, die Füße richtig zu heben. Auch seine Schwingen hingen trostlos zu Boden und seine Gestalt hatte nichts von der Anmut und Eleganz, die man normalerweise von einem Winddrachen erwartet hätte. Dazu kam der Schmutz, der seine blauen Schuppen beschmutzte, und ihn beinahe wie einen Erddrachen aussehen ließen, hätte er keine Flügel besessen. Doch auch diese waren aufgrund der hohen Belastung in den letzten Jahren bereits lädiert und teilweise waren die Häute löchrig geworden, was ihm einen verwegenen Ausdruck verlieh, auf den er jedoch nicht stolz war.
Worauf war er überhaupt noch stolz?
Seine Gedanken waren in der letzten Zeit immer seltener zu dem Jungen geglitten, den er vor vielen Jahren auf der Straße gefunden hatte.
Doch ab und zu gedachte er seiner noch, meistens in Momenten wie diesen, wenn er seinen Körper nicht verlassen konnte, aber wenigstens mit seinem Geist eine schönere Welt erkunden wollte.
Selbst dem Anblick der goldenen Sonne, die sich im Wasser spiegelte und den Horizont mit ihren Strahlen in orangene Töne tauchte, konnte er nichts abgewinnen. Trist hing sein Kopf nach unten und seine Bewegungen waren automatisch. Er dachte nur noch daran, dass sein Ziel bald erreicht war und er zumindest einige Stunden Schlaf bekommen würde, auch wenn diese nicht sehr erholsam waren auf einem harten Steinboden.
Die letzten Meter erwiesen sich allerdings als besonders schwierig. Seine Arme wollten ihm nicht mehr gehorchen und gaben schließlich einfach unter ihm nach, sodass er mit der Brust auf den Boden fiel – der Zauberer landete diesmal wirklich im Matsch der Straße.
Er hatte es nicht kommen sehen, aber er hätte es sich denken können, dass seine Kraft ihn irgendwann verlassen würde.
Der Zauberer hingegen bekam einen hochroten Kopf und fluchte. Dummerweise war das Missgeschick direkt vor dem Tor passiert, und das Gelächter der Stadtwachen war kaum zu überhören.
Doch Calhun bekam kaum mit, was der Zauberer schrie, und auch spürte er das Silber an seiner Haut nicht.
»Ich werde mein Geld zurückverlangen«, zeterte der Zauberer. »Das ist unerhört!«
Das Auge des Drachen richtete den Blick auf den Himmel, und plötzlich sah er das goldene Licht, das er vorhin nicht gesehen hatte, weil sein Geist von der Tristheit seiner Gedanken getrübt war.
Aber mit einem Mal hatte sich der dichte Nebelschleier gelichtet, und er sah die Schönheit der Sonne und des Wassers und der Berge im Hintergrund, die ihn die Strapazen und die körperlichen Beschwerden vergessen ließ.
Ich komme, dachte er. Ich komme, Mutter, Vater, Taron… Bald sehen wir uns wieder.
Dann schloss er die Augen – und es war ihm egal, was mit ihm geschehen würde, in diesem oder im nächsten Leben, denn er hatte die Hoffnung verloren, dass sich sein Schicksal je zum Besseren wenden würde.