09.12.2024, 12:10 - Wörter:
Kapitel 1: Blendwerk! Ich hab' dir Schatten mitgebracht
Million Towers
7. Viertel - "Summerset"
Die Große Bibliothek
02:33 Uhr nachts
Vincent rannte.
Vermutlich wäre dies kein bedeutender Umstand in den Annalen der Geschichte gewesen, wenn man dies als Alleinstellungsmerkmal betrachtete. Bedachte man den Umstand, dass er durch die engen Gänge der Großen Bibliothek hastete und hier und dort ein Möbelstück seinen Weg kreuzte und schändlich verlor, war dies schon ungewöhnlicher. Betrachtete man zuletzt die drei Wachmänner, die in schmucken Uniformen und gezogenen Dampfpistolen durch eben jene Hindernisparkoure jagten, die Vincent ihnen lachend hinterließ, war es schon merkwürdiger in der Ausführung.
Vincent hastete um die Ecke, um der Reichweite der Pistolen zu entgehen und versteckte sich hinter einem Regal, das prominent hervorstand. Mit ein wenig Glück...
Tatsächlich.
Hechelnd jagten die Wachen an ihm vorbei und würdigten den Mann keines Blickes, der sich aus dem Halbschatten des Regals schälte und durchatmete. Noch immer lief er etwas seinem Atem hinterher und hielt das Artefakt, das er aus dem Regal genommen hatte, fest in der Hand. Das Buch in seiner Hand fühlte sich warm an, obschon der Raum wesentlich kälter war. Der Ledereinband war unauffällig gehalten und gleichsam sorgfältig mit Ornamenten in leichtem Goldschimmer verziert. Um den Einband herum lag in schwerem Eisen ein Siegel, das offenbar durch eine Sigille magischer Natur gehalten wurde. Vincent ertappte sich dabei, wie seine Finger über die Sigille strichen und er seufzte ob seiner Dummheit.
Dies war nicht die Zeit.
Ruhig trat er aus dem Halbschatten heraus und sah sich auf dem Gang um.
Zu beiden Seiten ragten Bücherregale wie dräuende Mahnmale auf und der Geruch nach Papier und Tinte erfüllte den Raum. In weiter Ferne waren noch die Rufe und Schritte der Wachen zu hören. Grinsend schlug er die andere Richtung ein und versuchte, einen Weg durch die Bibliothek zu finden, die weitläufiger war als so manches Sportgelände im Dritten Viertel von Million Towers. Und Vincent hatte bereits einiges zu sehen bekommen.
"He, vergiss die Tarnung nicht!"
Eine Stimme an seinem Ohr ließ Vincent zusammen zucken und beinahe aufschreien, als sein Partner als winziger Mensch auf seiner Schulter erschien. Angus Collins war normalerweise von riesenhafter Statur mit breiten Schultern. Jetzt jedoch hatte er eher die Größe eines Däumlings in Kleidung eines irischen Pubschlägers. Der Glatzkopf seines Partners glitzerte im Widerschein der magischen Fackeln an den Wänden, die beinahe violettes Licht auf den Flur warfen.
"Ja, ja, beruhige dich", murmelte Vincent und schüttelte den Kopf.
Mit einer kurzen Drehung wandte er sich zum anderen Ende des Ganges und streckte die Handfläche aus.
"Blendwerk", flüsterte Vincent und warf eine Illusion in den Raum.
Die Aura des Zauberers breitete sich wie ein Teppich im Raum aus und stellte sich schimmernd wie ein Sommerabend unter Sternen auf, sodass das gezeigte Bild den ganzen Zwischenraum zwischen den Regalschluchten einnahm. Die Häscher würden nur einen leeren, ereignislosen Gang sehen und nicht den Zauberer, der sich in seinen Umhang hüllte und in die andere Richtung davon sprintete.
"Das war erfolgreich!", bekundete Angus auf seiner Schulter, der sich eifrig an seinem Kragen festhielt.
"Das stimmt!"
"Auch wenn du wieder leichtsinnig warst, du Verrückter. Ich meine, musste es ausgerechnet dieser Auftrag sein?!"
"Er bringt am meisten Geld ein", murmelte Vincent während er an der äußeren Fassade herab kletterte.
"Sicher. Und das hat auch gar nichts mit der schönen Frau zu tun, in die du dich schockverliebt hast, als sie weinend in deinem Sessel saß", höhnte Angus und seufzte. "Du hast wirklich ein Problem, Vince."
"Ich bin ein Mann der Liebe, Angus", grinste Vincent, als er festen Boden unter den Füßen fand. "Ein Mann der Liebe."
Hastig überquerten sie die Straße, die sich vor der Bibliothek auftat. Niemand fand sich mehr auf der Straße, selbst die Droschken hatten den Dienst eingestellt. Hier und da wieherten ein paar Pferde an ihren Behelfsställen und die magischen Lampen warfen warmes, gelbes Licht auf den dunklen Asphalt, während Vincent Craydon in eine Seitengasse huschte.
Durchaus ein erfolgreicher Raubzug. Eindeutig.
Million Towers
7. Viertel - "Summerset"
Die Große Bibliothek
02:33 Uhr nachts
Vincent rannte.
Vermutlich wäre dies kein bedeutender Umstand in den Annalen der Geschichte gewesen, wenn man dies als Alleinstellungsmerkmal betrachtete. Bedachte man den Umstand, dass er durch die engen Gänge der Großen Bibliothek hastete und hier und dort ein Möbelstück seinen Weg kreuzte und schändlich verlor, war dies schon ungewöhnlicher. Betrachtete man zuletzt die drei Wachmänner, die in schmucken Uniformen und gezogenen Dampfpistolen durch eben jene Hindernisparkoure jagten, die Vincent ihnen lachend hinterließ, war es schon merkwürdiger in der Ausführung.
Vincent hastete um die Ecke, um der Reichweite der Pistolen zu entgehen und versteckte sich hinter einem Regal, das prominent hervorstand. Mit ein wenig Glück...
Tatsächlich.
Hechelnd jagten die Wachen an ihm vorbei und würdigten den Mann keines Blickes, der sich aus dem Halbschatten des Regals schälte und durchatmete. Noch immer lief er etwas seinem Atem hinterher und hielt das Artefakt, das er aus dem Regal genommen hatte, fest in der Hand. Das Buch in seiner Hand fühlte sich warm an, obschon der Raum wesentlich kälter war. Der Ledereinband war unauffällig gehalten und gleichsam sorgfältig mit Ornamenten in leichtem Goldschimmer verziert. Um den Einband herum lag in schwerem Eisen ein Siegel, das offenbar durch eine Sigille magischer Natur gehalten wurde. Vincent ertappte sich dabei, wie seine Finger über die Sigille strichen und er seufzte ob seiner Dummheit.
Dies war nicht die Zeit.
Ruhig trat er aus dem Halbschatten heraus und sah sich auf dem Gang um.
Zu beiden Seiten ragten Bücherregale wie dräuende Mahnmale auf und der Geruch nach Papier und Tinte erfüllte den Raum. In weiter Ferne waren noch die Rufe und Schritte der Wachen zu hören. Grinsend schlug er die andere Richtung ein und versuchte, einen Weg durch die Bibliothek zu finden, die weitläufiger war als so manches Sportgelände im Dritten Viertel von Million Towers. Und Vincent hatte bereits einiges zu sehen bekommen.
"He, vergiss die Tarnung nicht!"
Eine Stimme an seinem Ohr ließ Vincent zusammen zucken und beinahe aufschreien, als sein Partner als winziger Mensch auf seiner Schulter erschien. Angus Collins war normalerweise von riesenhafter Statur mit breiten Schultern. Jetzt jedoch hatte er eher die Größe eines Däumlings in Kleidung eines irischen Pubschlägers. Der Glatzkopf seines Partners glitzerte im Widerschein der magischen Fackeln an den Wänden, die beinahe violettes Licht auf den Flur warfen.
"Ja, ja, beruhige dich", murmelte Vincent und schüttelte den Kopf.
Mit einer kurzen Drehung wandte er sich zum anderen Ende des Ganges und streckte die Handfläche aus.
"Blendwerk", flüsterte Vincent und warf eine Illusion in den Raum.
Die Aura des Zauberers breitete sich wie ein Teppich im Raum aus und stellte sich schimmernd wie ein Sommerabend unter Sternen auf, sodass das gezeigte Bild den ganzen Zwischenraum zwischen den Regalschluchten einnahm. Die Häscher würden nur einen leeren, ereignislosen Gang sehen und nicht den Zauberer, der sich in seinen Umhang hüllte und in die andere Richtung davon sprintete.
"Das war erfolgreich!", bekundete Angus auf seiner Schulter, der sich eifrig an seinem Kragen festhielt.
"Das stimmt!"
"Auch wenn du wieder leichtsinnig warst, du Verrückter. Ich meine, musste es ausgerechnet dieser Auftrag sein?!"
"Er bringt am meisten Geld ein", murmelte Vincent während er an der äußeren Fassade herab kletterte.
"Sicher. Und das hat auch gar nichts mit der schönen Frau zu tun, in die du dich schockverliebt hast, als sie weinend in deinem Sessel saß", höhnte Angus und seufzte. "Du hast wirklich ein Problem, Vince."
"Ich bin ein Mann der Liebe, Angus", grinste Vincent, als er festen Boden unter den Füßen fand. "Ein Mann der Liebe."
Hastig überquerten sie die Straße, die sich vor der Bibliothek auftat. Niemand fand sich mehr auf der Straße, selbst die Droschken hatten den Dienst eingestellt. Hier und da wieherten ein paar Pferde an ihren Behelfsställen und die magischen Lampen warfen warmes, gelbes Licht auf den dunklen Asphalt, während Vincent Craydon in eine Seitengasse huschte.
Durchaus ein erfolgreicher Raubzug. Eindeutig.