The Storyteller

Die Luft war plötzlich kalt, gefror bei jedem Atemzug und schnitt ihnen wie tausend eisige Messer in die Kehlen. Hände griffen nach ihm, nagelten die Kälte mit jedem Finger tiefer in sein Fleisch, rissen, zerrten an ihm und gierten nach der Wärme seines immer schneller schlagenden Herzens. Iain versuchte sich zu winden, dem eisigen Griff zu entfliehen, doch stattdessen packten sie nur fester zu, begannen zu jammern, zu klagen, zu schreien. Er wollte sich die Ohren zuhalten, doch die Hände ließen ihn nicht; rüttelten an ihm, stritten um ihn. Zwischen dem kreischenden Heulen der Toten erklang noch etwas anderes, doch so leise und dumpf, dass er die Worte dahinter nicht vernahm. Er spürte, wie ihm der Kopf schwer wurde, ein Dröhnen in seinem Schädel jedes andere Gefühl zu übertünchen suchte und Eis, nichts als Eis, das seinen Körper umschloss.
„Schnauze!“ Das Wort, so plump es auch war, schnitt durch die Klagelaute; ein kurzer Moment der Ruhe, dann kam erneut Bewegung in die Masse aus geisterhaften Wesen – sie wichen zurück. Plötzlich waren die Hände fort und seine tauben Beine gaben unter ihm nach. Er sackte hart auf dem Boden zusammen und stützte sich schwer atmend im feuchten Gras ab. Die gefrorenen Halme gaben knirschend unter seinem Gewicht nach. Erneut griff jemand nach ihm und er wand sich, wollte nicht zurück in die eisige Umarmung, die ihm auch noch den letzten Rest Leben stehlen würde. Die Wärme, die daraufhin durch seinen Körper schoss, traf ihn wie ein Schlag. Wie betäubt hing er im Griff des anderen und sah sich mit verschwommenem Blick um.
„Ben“, murmelte er müde, als er den englischen Soldaten an seiner Seite erkannte. Mit einer Hand zog dieser ihn auf die Beine, während in seiner anderen ein Schwert lag. Völlig wirkungslos auf den ersten Blick, doch Iain glaubte, immer wieder das drohende Züngeln einer blauen Flamme über den Stahl tanzen zu sehen. Allerdings war es nicht er, vor dem die Geister zurückwichen. Das, was sie als Bedrohung wahrnahmen, schritt gerade mit grimmigem Blick durch ihre Reihen, in der einen Hand ein Breitschwert – so durchscheinend wie die Gestalt, die sie führte – die andere auf den Dearg an seinem Gürtel gelegt. Der Schrecken hielt nur für einen Moment, ehe die Geister gewahrten, dass er nur einer war – einer von ihnen und er würde sie niemals alle aufhalten können. Ein Kreischen zerriss die Stille, zu Klauen gekrümmte Hände schossen durch die Luft – eine Klinge fuhr lautlos durch die kalte Luft und ein Arm fiel. Vier weitere schossen hervor und Dougal knurrte schmerzerfüllt auf, als die Krallen über seinen Rücken fuhren und Furchen in seinen geisterhaften Körper rissen. Er wirbelte herum, sein Schwert tanzte in lautlosem Gesang durch die Kälte, während die Klinge seines Deargs aus der Scheide fuhr und die Lippen des Highlanders sich zu einem grimmigen Kampfschrei öffneten: „Loch Slòigh!“