12.05.2024, 18:01 - Wörter:
Als die Sonne hinter dem Horizont verschwand und die Dämmerung das Stadtviertel umhüllte, ergoss sich ein warmer, goldener Lichtschein über Jakub Dvořáks Werkstatt. Mitten im industriellen Herzen Melníks gelegen, inmitten von Schornsteinen, die gewöhnlich die Umgebung in einen düsteren Rauchschleier hüllten, wurde das Gebäude von diesem sanften Glanz durchflutet. Das dumpfe Rumpeln und Zischen der Maschinen, das den Tag über das Viertel erfüllt hatte, verklang allmählich und mit dem Abgang der Arbeiter zur wohlverdienten Ruhe lichtete sich auch der Rauch.
Eine Straße aus grobem Kopfsteinpflaster erstreckte sich vor der Werkstatt, flankiert von alten Laternen, deren flackerndes Gaslicht kaum ausreichte, um die Straße später in der Dunkelheit zu erhellen. Einige vereinzelte Passanten und Arbeiter huschten vorbei, gehüllt in schwere Mäntel, denn die Frühlingsnächte waren immer noch kühl, sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwand.
Arved begab sich nicht oft in dieses Viertel. Seine Anwesenheit in Melník war längst nicht mehr so häufig wie einst und seine Familie hatte genug Bedienstete, die ansonsten die Erledigungen in dieser Gegend übernahmen.
Doch nun verharrte der schwarz gekleidete Mann vor dem Eingang der Werkstatt und rührte sich nicht von der Stelle. Sein Blick ruhte auf dem aus Eisen geschmiedeten Schild darüber, auf dem mit kunstvollen Buchstaben „Maschinenwerkstatt Dvořák“ stand. Im Licht der untergehenden Sonne schien der Name beinahe zu glühen. Arved legte kurz den Kopf schief und betrachtete die Buchstaben eingehender, als würde er vermuten, dass hinter dem Schimmer mehr verborgen lag als eine optische Täuschung.
Ein kühler Wind strich durch die Straßen und Gassen und ließ Arveds Mantel leicht flattern. Er zögerte. Das war er nicht gewohnt von sich selbst. Normalerweise gehörte er nicht zu den Menschen, die sich vor einer Aufgabe drückten, doch insgeheim musste er sich eingestehen, dass der Weg hierher kein leichter für ihn gewesen war.
Seine Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit, zu einem Tag vor 16 Jahren, als er das letzte Mal mit Evelina gesprochen hatte. Sie waren Jugendfreunde gewesen, unzertrennlich und hatten beinahe jeden Tag miteinander verbracht. Doch ihr inniges Band war ein Dorn im Auge seines Vaters gewesen, der schon lange versucht hatte, den Kontakt zu dem Mädchen und ihrer Familie zu unterbinden. Er erinnerte sich daran, wie er ihr versprochen hatte, sie am nächsten Tag zum Fluss hinunter zu begleiten, wo sie gemeinsam nach weggeworfenen Maschinenteilen suchen wollten, die von den Vorbesitzern achtlos entsorgt worden waren. Manchmal blieb ihre Suche erfolglos, doch gelegentlich entdeckten sie wahre Schätze unter dem Müll, die sie dann mit in die Werkstatt von Evelinas Vater nahmen, die sich auf dem Anwesen der Grafenfamilie Czernin befand.
Doch das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, blieb unerfüllt. Am nächsten Tag hatte Arveds Vater ihm erklärt, dass Jakub Dvořák des Diebstahls beschuldigt und der Familie Verrat vorgeworfen wurde. Dvořák wurde fristlos gekündigt und er und seine Familie wurden gezwungen, das Anwesen der Czernins sofort zu verlassen.
Das bevorstehende Zusammentreffen mit Evelina bereitete Arved daher ein unbehagliches Gefühl, das sich grundlegend von dem vor einigen Jahren Erlebten unterschied. Die Erinnerungen an jene Tage waren mittlerweile in den Nebel der Zeit getaucht und die exakte Empfindung von damals entglitt ihm. Dennoch hegte er den Glauben, dass er mittlerweile genug gereift war, um dieser Begegnung standzuhalten. Die Unsicherheit und Enttäuschung vergangener Tage schienen von ihm aus gesehen einer gewissen Gelassenheit gewichen zu sein. Es war möglich, dass es lediglich die Angst vor einem erneuten, intensiveren Aufeinandertreffen gewesen war, die ihn bislang davon abgehalten hatte, sie anzusprechen, wenn er sie einmal auf den vollen Straßen der Stadt erblickte. Vielleicht war es aber auch die Enttäuschung über die Handlungen ihres Vaters, die ihn daran hinderten, sich ihr zu nähern? Diese Fragen beschäftigten ihn, doch konnte er sie nicht mit vollkommener Sicherheit beantworten. Nun war ohnehin nicht die Zeit dafür, denn an diesem Abend hatte das Schicksal ihm die Entscheidung letztendlich abgenommen.
Arved betrat die Werkstatt also mit einem Hauch von Zögern in seinen Schritten, als ob er die Schwelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart mit Bedacht überschreiten würde. An seiner Körperhaltung war jedoch nichts von dem inneren Kampf zu bemerken, den er gerade mit sich selbst ausfocht. Seine Schultern waren gestrafft und sein Blick war ruhig, doch es lag eine leichte Anspannung darin, als ob er sich auf das Unbekannte vorbereitete. Seine Kleidung war schlicht und dennoch von hoher Qualität. Ein dunkler Mantel aus feinem Stoff umhüllte seine Gestalt und seine Schuhe zeugten davon, dass er bei der Qualität seiner Garderobe keine Kompromisse einging. Mit jeder Faser seines Körpers strahlte er Autorität aus.
Der Geruch von Öl und Metall umfing ihn hier drin, während er sich den Maschinen näherte und seine Augen glitten über die Szenerie aus mechanischen Geräten, die teilweise ein leises Summen und Zischen von sich gaben.
Die Regale entlang der Wände waren gefüllt mit Apparaturen, Zahnrädern und anderen mechanischen Bauteilen, jedes sorgfältig beschriftet und katalogisiert. Das letzte Licht des Sonnenuntergangs, das durch die hohen Fenster hereinströmte, tauchte den Raum dabei in einen sanften Schimmer, der die Metallflächen der Maschinen und Werkzeuge zum Funkeln brachte.
Er hatte diesen Anblick vermisst.
Während der Dunkelhaarige die Werkstatt durchstreifte, fiel ihm plötzlich ein Geräusch auf, das aus dem hinteren Teil des Raumes drang. Es war ein rhythmisches Klopfen und Klappern, begleitet von gelegentlichem Zischen und Knarren, als ob jemand emsig an einer Reparatur arbeitete. Unter einer der Maschinen entdeckte er schließlich ein Paar Füße, die zu einem Paar schlanker Beine gehörten, die wiederum von ockerfarbenen Hosen bedeckt waren.
Ein schmales Lächeln umspielte seine Gesichtszüge, das jedoch sogleich wieder verschwand. „Eine brillante Idee die Ausdehnung des Dampfes bei fallendem Druck auszunutzen“, sagte er nach eingehender Betrachtung der Maschine. „Die im Dampf gespeicherte Energie wird dadurch deutlich besser ausgenutzt.“ Wieder einmal wurde ihm bewusst, warum er ausgerechnet sie für diesen Auftrag auserkoren hatte.
Eine Straße aus grobem Kopfsteinpflaster erstreckte sich vor der Werkstatt, flankiert von alten Laternen, deren flackerndes Gaslicht kaum ausreichte, um die Straße später in der Dunkelheit zu erhellen. Einige vereinzelte Passanten und Arbeiter huschten vorbei, gehüllt in schwere Mäntel, denn die Frühlingsnächte waren immer noch kühl, sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwand.
Arved begab sich nicht oft in dieses Viertel. Seine Anwesenheit in Melník war längst nicht mehr so häufig wie einst und seine Familie hatte genug Bedienstete, die ansonsten die Erledigungen in dieser Gegend übernahmen.
Doch nun verharrte der schwarz gekleidete Mann vor dem Eingang der Werkstatt und rührte sich nicht von der Stelle. Sein Blick ruhte auf dem aus Eisen geschmiedeten Schild darüber, auf dem mit kunstvollen Buchstaben „Maschinenwerkstatt Dvořák“ stand. Im Licht der untergehenden Sonne schien der Name beinahe zu glühen. Arved legte kurz den Kopf schief und betrachtete die Buchstaben eingehender, als würde er vermuten, dass hinter dem Schimmer mehr verborgen lag als eine optische Täuschung.
Ein kühler Wind strich durch die Straßen und Gassen und ließ Arveds Mantel leicht flattern. Er zögerte. Das war er nicht gewohnt von sich selbst. Normalerweise gehörte er nicht zu den Menschen, die sich vor einer Aufgabe drückten, doch insgeheim musste er sich eingestehen, dass der Weg hierher kein leichter für ihn gewesen war.
Seine Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit, zu einem Tag vor 16 Jahren, als er das letzte Mal mit Evelina gesprochen hatte. Sie waren Jugendfreunde gewesen, unzertrennlich und hatten beinahe jeden Tag miteinander verbracht. Doch ihr inniges Band war ein Dorn im Auge seines Vaters gewesen, der schon lange versucht hatte, den Kontakt zu dem Mädchen und ihrer Familie zu unterbinden. Er erinnerte sich daran, wie er ihr versprochen hatte, sie am nächsten Tag zum Fluss hinunter zu begleiten, wo sie gemeinsam nach weggeworfenen Maschinenteilen suchen wollten, die von den Vorbesitzern achtlos entsorgt worden waren. Manchmal blieb ihre Suche erfolglos, doch gelegentlich entdeckten sie wahre Schätze unter dem Müll, die sie dann mit in die Werkstatt von Evelinas Vater nahmen, die sich auf dem Anwesen der Grafenfamilie Czernin befand.
Doch das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, blieb unerfüllt. Am nächsten Tag hatte Arveds Vater ihm erklärt, dass Jakub Dvořák des Diebstahls beschuldigt und der Familie Verrat vorgeworfen wurde. Dvořák wurde fristlos gekündigt und er und seine Familie wurden gezwungen, das Anwesen der Czernins sofort zu verlassen.
Das bevorstehende Zusammentreffen mit Evelina bereitete Arved daher ein unbehagliches Gefühl, das sich grundlegend von dem vor einigen Jahren Erlebten unterschied. Die Erinnerungen an jene Tage waren mittlerweile in den Nebel der Zeit getaucht und die exakte Empfindung von damals entglitt ihm. Dennoch hegte er den Glauben, dass er mittlerweile genug gereift war, um dieser Begegnung standzuhalten. Die Unsicherheit und Enttäuschung vergangener Tage schienen von ihm aus gesehen einer gewissen Gelassenheit gewichen zu sein. Es war möglich, dass es lediglich die Angst vor einem erneuten, intensiveren Aufeinandertreffen gewesen war, die ihn bislang davon abgehalten hatte, sie anzusprechen, wenn er sie einmal auf den vollen Straßen der Stadt erblickte. Vielleicht war es aber auch die Enttäuschung über die Handlungen ihres Vaters, die ihn daran hinderten, sich ihr zu nähern? Diese Fragen beschäftigten ihn, doch konnte er sie nicht mit vollkommener Sicherheit beantworten. Nun war ohnehin nicht die Zeit dafür, denn an diesem Abend hatte das Schicksal ihm die Entscheidung letztendlich abgenommen.
Arved betrat die Werkstatt also mit einem Hauch von Zögern in seinen Schritten, als ob er die Schwelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart mit Bedacht überschreiten würde. An seiner Körperhaltung war jedoch nichts von dem inneren Kampf zu bemerken, den er gerade mit sich selbst ausfocht. Seine Schultern waren gestrafft und sein Blick war ruhig, doch es lag eine leichte Anspannung darin, als ob er sich auf das Unbekannte vorbereitete. Seine Kleidung war schlicht und dennoch von hoher Qualität. Ein dunkler Mantel aus feinem Stoff umhüllte seine Gestalt und seine Schuhe zeugten davon, dass er bei der Qualität seiner Garderobe keine Kompromisse einging. Mit jeder Faser seines Körpers strahlte er Autorität aus.
Der Geruch von Öl und Metall umfing ihn hier drin, während er sich den Maschinen näherte und seine Augen glitten über die Szenerie aus mechanischen Geräten, die teilweise ein leises Summen und Zischen von sich gaben.
Die Regale entlang der Wände waren gefüllt mit Apparaturen, Zahnrädern und anderen mechanischen Bauteilen, jedes sorgfältig beschriftet und katalogisiert. Das letzte Licht des Sonnenuntergangs, das durch die hohen Fenster hereinströmte, tauchte den Raum dabei in einen sanften Schimmer, der die Metallflächen der Maschinen und Werkzeuge zum Funkeln brachte.
Er hatte diesen Anblick vermisst.
Während der Dunkelhaarige die Werkstatt durchstreifte, fiel ihm plötzlich ein Geräusch auf, das aus dem hinteren Teil des Raumes drang. Es war ein rhythmisches Klopfen und Klappern, begleitet von gelegentlichem Zischen und Knarren, als ob jemand emsig an einer Reparatur arbeitete. Unter einer der Maschinen entdeckte er schließlich ein Paar Füße, die zu einem Paar schlanker Beine gehörten, die wiederum von ockerfarbenen Hosen bedeckt waren.
Ein schmales Lächeln umspielte seine Gesichtszüge, das jedoch sogleich wieder verschwand. „Eine brillante Idee die Ausdehnung des Dampfes bei fallendem Druck auszunutzen“, sagte er nach eingehender Betrachtung der Maschine. „Die im Dampf gespeicherte Energie wird dadurch deutlich besser ausgenutzt.“ Wieder einmal wurde ihm bewusst, warum er ausgerechnet sie für diesen Auftrag auserkoren hatte.