Vor 3 Stunden - Wörter:
Tyler:
Tyler wusste nicht, wie lange er in keiner Kirche gewesen war. Zuhause in Bisham, falls er es zuhause nennen wollte, gehörte das dazu: Sonntags ging die Familie gemeinsam zum Gottesdienst, als lebten sie im 19. Jahrhundert und hätten wenig von Entwicklungen in der Forschung mitbekommen. Als müsse man sich die langweiligen Worte anhören, um Buße für alle Verfehlungen der Woche zu tun.
In York hingegen war das kein Pflichtprogramm, also war er nur noch zu besonderen Tagen in der Kirche gewesen. Zu Weihnachten. Wenn Rockefellers in den Ferien keinen Platz für ihn gefunden hatten und er deshalb in Bisham gewesen war.
Das war alles so unendlich lange her.
Es hatte ihn einiges an Überwindung gekostet, eine Kirche in New Amsterdam rauszusuchen - mit Hilfe einer Alphabet-Plattform, was wohl der größte Verrat an seinem Arbeitgeber war, den er sich leisten konnte.
Aber besser hier als in der Schweiz, wohin er in wenigen Tagen wieder flog.
Also stand er vor einer unscheinbaren Kirche, die noch weniger ansprechend erschien als die in Bisham. Eingekesselt zwischen Wolkenkratzern, mit wenig grün drum herum. Gott gab man hier kaum Raum. Außer man wollte den Mitgliedern einer der sektenartigen Mega-Churches gefallen; dann waren plötzlich Geld und Platz für großspurige Gebäude da, in denen tagein, tagaus ein Gospelchor fröhliche Hymnen trällerte, um jede Synapse zu kitzeln und die Gehirnwäsche zu komplettieren.
Diese Kirche hingegen war schlicht, fast zu sehr.
Tyler atmete tief durch und trat ein. Beinahe erwartete er, dass ihn beim Eintreten der Schlag traf, doch nichts dergleichen geschah, sodass er langsam seinen Weg fortsetzte. Jeder seiner Schritte hallte wider und erzeugte eine Gänsehaut auf seinen Armen, deretwegen er sich am liebsten geschüttelt hätte. Etwas planlos irrte er durch den Raum, bis er einen Mann sah, der gerade Notenblätter zum Klavier in der Ecke brachte. Er arbeitete also hier.
"Ähm, hallo?", sagte Tyler weitaus weniger selbstbewusst als er sich wünschte.
Der Mann drehte sich zu ihm, grüßte freundlich. Er mochte etwa in Tylers Alter sein, schlank, mit dunklen Haaren. Irgendwie erinnerte er an Lennon.
"Ich bin kein Mitglied dieser Gemeinde, aber ich", Tyler strich sich durch das Haar, während er seine Gedanken sammelte, "ich würde gerne vertraulich etwas besprechen?"
Gabriel:
Es war ein erfolgreicher Tag gewesen - die Kindergruppe hatte trotz aller Weihnachtsaufregung gut mitgemacht, die Kirche war gefegt, und die Gesangsbücher auch wieder alle an ihrem Platz, bereit für die nächste Chorprobe. Gabriel atmete einmal tief durch, als er sich in dem leeren Kirchenschiff umsah. Ein Erfolg, nur manchmal wünschte er sich mehr Hilfe. Aber die würde der Herr ihm senden, wenn es an der Zeit war, und bis dahin kümmerte er sich, so gut er konnte. Maria aus der Lobpreis-Band hatte angedeutet, sich mehr einbringen zu wollen, vielleicht war das schon der Weg, es würde sich zeigen. Vielleicht war da noch jemand, der die Kirche gerne vollhatte, die Bänke, den Chor, und das nicht nur an Weihnachten. Nun, jetzt würde er noch einmal die Akustik der Kirche genießen, ein bisschen Klavier spielen und dabei beten, das war sein liebster Tagesausklang. Aber da hörte er die Tür, schaute kurz hin - ein junger Mann, der sich umschaute. Gabriel widerstand dem Drang, gleich zu ihm hinzugehen. Er sah gehetzt aus, und Gabriel wollte ihn nicht verscheuchen. Allein schon, weil mal jemand in die Kirche kam, den er nicht kannte. Also drehte er sich weg - natürlich nicht zu sehr - und wartete ab, raschelte mit seinen Notenblättern, und versuchte, seine Ungeduld zu verstecken. Er freute sich bestimmt zu früh, denn die einzigen Fremden, die hierher kamen, wollten immer etwas, das er nicht geben konnte. Meistens Geld und Steuern und Miete.
Aber da - der Gast sprach! Er hatte sich nicht verirrt! Er wollte kein Geld eintreiben, das sie nicht hatten! Gabriel lächelte freundlich und erleichtert. "Willkommen im Haus Gottes, jeder ist jeder willkommen. Was kann ich für dich tun?" Er tat sein Bestes, nicht mit Ausrufezeichen zu sprechen, obwohl es ihm schwerfiel. Aber: die Leute nicht verschrecken, das war die Devise, die er vom Kirchenrat bekommen hatte. "Ich bin Gabriel, Pastor in Ausbildung. Ich höre gern zu." Gabriel stellte die Noten auf das Klavier. "Wir können uns setzen, wenn du magst." Oje - so war das, wenn nie neue Leute in die Kirche kamen. "Ich meine, wenn Sie mögen. Und was ich für Sie tun kann", schon er schnell hinterher. Unhöflich wollte er auf keinen Fall sein.
Tyler wusste nicht, wie lange er in keiner Kirche gewesen war. Zuhause in Bisham, falls er es zuhause nennen wollte, gehörte das dazu: Sonntags ging die Familie gemeinsam zum Gottesdienst, als lebten sie im 19. Jahrhundert und hätten wenig von Entwicklungen in der Forschung mitbekommen. Als müsse man sich die langweiligen Worte anhören, um Buße für alle Verfehlungen der Woche zu tun.
In York hingegen war das kein Pflichtprogramm, also war er nur noch zu besonderen Tagen in der Kirche gewesen. Zu Weihnachten. Wenn Rockefellers in den Ferien keinen Platz für ihn gefunden hatten und er deshalb in Bisham gewesen war.
Das war alles so unendlich lange her.
Es hatte ihn einiges an Überwindung gekostet, eine Kirche in New Amsterdam rauszusuchen - mit Hilfe einer Alphabet-Plattform, was wohl der größte Verrat an seinem Arbeitgeber war, den er sich leisten konnte.
Aber besser hier als in der Schweiz, wohin er in wenigen Tagen wieder flog.
Also stand er vor einer unscheinbaren Kirche, die noch weniger ansprechend erschien als die in Bisham. Eingekesselt zwischen Wolkenkratzern, mit wenig grün drum herum. Gott gab man hier kaum Raum. Außer man wollte den Mitgliedern einer der sektenartigen Mega-Churches gefallen; dann waren plötzlich Geld und Platz für großspurige Gebäude da, in denen tagein, tagaus ein Gospelchor fröhliche Hymnen trällerte, um jede Synapse zu kitzeln und die Gehirnwäsche zu komplettieren.
Diese Kirche hingegen war schlicht, fast zu sehr.
Tyler atmete tief durch und trat ein. Beinahe erwartete er, dass ihn beim Eintreten der Schlag traf, doch nichts dergleichen geschah, sodass er langsam seinen Weg fortsetzte. Jeder seiner Schritte hallte wider und erzeugte eine Gänsehaut auf seinen Armen, deretwegen er sich am liebsten geschüttelt hätte. Etwas planlos irrte er durch den Raum, bis er einen Mann sah, der gerade Notenblätter zum Klavier in der Ecke brachte. Er arbeitete also hier.
"Ähm, hallo?", sagte Tyler weitaus weniger selbstbewusst als er sich wünschte.
Der Mann drehte sich zu ihm, grüßte freundlich. Er mochte etwa in Tylers Alter sein, schlank, mit dunklen Haaren. Irgendwie erinnerte er an Lennon.
"Ich bin kein Mitglied dieser Gemeinde, aber ich", Tyler strich sich durch das Haar, während er seine Gedanken sammelte, "ich würde gerne vertraulich etwas besprechen?"
Gabriel:
Es war ein erfolgreicher Tag gewesen - die Kindergruppe hatte trotz aller Weihnachtsaufregung gut mitgemacht, die Kirche war gefegt, und die Gesangsbücher auch wieder alle an ihrem Platz, bereit für die nächste Chorprobe. Gabriel atmete einmal tief durch, als er sich in dem leeren Kirchenschiff umsah. Ein Erfolg, nur manchmal wünschte er sich mehr Hilfe. Aber die würde der Herr ihm senden, wenn es an der Zeit war, und bis dahin kümmerte er sich, so gut er konnte. Maria aus der Lobpreis-Band hatte angedeutet, sich mehr einbringen zu wollen, vielleicht war das schon der Weg, es würde sich zeigen. Vielleicht war da noch jemand, der die Kirche gerne vollhatte, die Bänke, den Chor, und das nicht nur an Weihnachten. Nun, jetzt würde er noch einmal die Akustik der Kirche genießen, ein bisschen Klavier spielen und dabei beten, das war sein liebster Tagesausklang. Aber da hörte er die Tür, schaute kurz hin - ein junger Mann, der sich umschaute. Gabriel widerstand dem Drang, gleich zu ihm hinzugehen. Er sah gehetzt aus, und Gabriel wollte ihn nicht verscheuchen. Allein schon, weil mal jemand in die Kirche kam, den er nicht kannte. Also drehte er sich weg - natürlich nicht zu sehr - und wartete ab, raschelte mit seinen Notenblättern, und versuchte, seine Ungeduld zu verstecken. Er freute sich bestimmt zu früh, denn die einzigen Fremden, die hierher kamen, wollten immer etwas, das er nicht geben konnte. Meistens Geld und Steuern und Miete.
Aber da - der Gast sprach! Er hatte sich nicht verirrt! Er wollte kein Geld eintreiben, das sie nicht hatten! Gabriel lächelte freundlich und erleichtert. "Willkommen im Haus Gottes, jeder ist jeder willkommen. Was kann ich für dich tun?" Er tat sein Bestes, nicht mit Ausrufezeichen zu sprechen, obwohl es ihm schwerfiel. Aber: die Leute nicht verschrecken, das war die Devise, die er vom Kirchenrat bekommen hatte. "Ich bin Gabriel, Pastor in Ausbildung. Ich höre gern zu." Gabriel stellte die Noten auf das Klavier. "Wir können uns setzen, wenn du magst." Oje - so war das, wenn nie neue Leute in die Kirche kamen. "Ich meine, wenn Sie mögen. Und was ich für Sie tun kann", schon er schnell hinterher. Unhöflich wollte er auf keinen Fall sein.

![[-] [-]](https://the-storyteller.eu/images/collapse.png)