25.07.2024, 01:14 - Wörter:
Vor hundert Jahren...
»Und du bist sicher, dass du das tun willst?«
»Ich sehe keine andere Wahl, du etwa?«
Der hagere Mann stand neben dem jüngeren mit den langen schwarzen Haaren, die nach hinten zusammen gebunden waren. Etwas weiter hinten stand ein weiterer Mann, der gewisse Ähnlichkeiten mit dem jüngeren hatte, aber in seinen Augen lag eine Tiefe, die davon sprach, dass er bereits sehr viel erlebt haben musste – mehr als sein optisches Alter zuließ. Neben ihm stand eine Frau mittleren Alters, mit besorgter Miene und traurigem Ausdruck in den Augen.
Selbiges galt auch für den hageren Mann mit den schulterlangen dunkelbraunen Haaren und den grünen Augen, welche trist auf das in Stein gemeisselte Portal mit den vielen unbekannten Schriftzeichen starrten. Er vermied es, den vierten Mann anzusehen, der siegessicher vor dem Portal stand und abwartend auf die beiden in der Mitte herab blickte. Um sie herum war leise das blubbernde Magma des inaktiven Vulkanes zu hören, in dessen Mitte sie sich befanden.
»Ich werde dich vermissen«, sprach der Jüngere leise, weil er nicht wollte, dass die anderen seine Worte hörten, die nur dem anderen galten.
Der optisch ältere zögerte kurz, dann nickte er – und dann legte er die Arme um den jüngeren, der überrascht wirkte.
»Seid ihr bald fertig? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«, rief der Mann vor dem Portal mit eindeutiger Ungeduld.
Der Mann löste sich von dem Jüngeren ein wenig widerwillig und blickte dann geradeaus, machte einige Schritte auf den blonden Mann zu. »Ich bin bereit.«
»Gut. Zeit wird es.« Der Blonde streckte die Hand aus und ohne zu warten zog er den anderen mit sich in Richtung des Portales.
Kurz davor hielt er inne und blickte zu den beiden hinten stehenden Personen. »Den Schlüssel, wenn ich bitten darf!«, rief er ihnen zu.
Mit grimmiger, resoluter Miene holte der Schwarzhaarige in der hinteren Reihe ein Gerät unter seinem langen Mantel hervor, der in Anbetracht der Umgebung fehl am Platze wirkte, und platzierte ihn auf einem Podest direkt vor dem Portal.
Die Frau warf ihm einen unsicheren, teilweise vorwurfsvollen Blick zu, der an dem autoritär wirkenden Mann geradezu wirkungslos abzuprallen schien. Wenn er davon beeindruckt war, zeigte er es nicht.
»Ich danke euch, für eure Kooperation, und verspreche, niemandem etwas anzutun, wenn ich zurück bin!«, säuselte der Blonde, der den dürren Mann am Arm gepackt hatte.
Die letzten Wochen in Gefangenschaft hatten an ihm gezehrt; er wirkte, als würde er nur noch aus Knochen und Haut bestehen, ein lebendes Gerippe, das nichts mehr zu verlieren hatte.
»Meine einzige Bitte – ich hoffe, ihr seid nicht mehr da, wenn ich gleich zurückkomme. Sonst bin ich nicht sicher, ob ich mich daran halten kann. Ihr versteht sicherlich. Ich muss Vorsichtsmaßnahmen treffen…« Ein hämisches Grinsen legte sich auf die Züge des Sprechers, der genau wissen zu schien, was er tat.
Keiner der anderen Anwesenden brachte einen Einwand vor. Alle starrten gebannt auf das steinerne Portal, in welchem sich durch die Aktivierung des Podestes eine silbrige Flüssigkeit zu bilden schien, durch welche die Mauer nicht mehr zu sehen war.
Stattdessen zeichnete sich dort nun etwas anderes ab, das für die Augen der Anwesenden keinen Sinn ergab – es waren bunte Schlieren einer farbenfrohen Welt zu sehen, die scheinbar keinen Sinn ergaben; Formen und Farben, die es hier nicht gab und für die auch niemand Worte gefunden hätte, um sie zu beschreiben.
»Adios, Amigos – oder sagt man das nicht so in einer eurer Sprachen?« Der Blonde lachte, dann sprang er mit dem Hageren einfach durch das silberne Portal und war verschwunden.
Hundert Jahre hörte und sah niemand mehr etwas von den beiden.
Und dann geschah es, plötzlich, eines Nachts, ohne Vorwarnung.
Es war ein Vorfall gewesen, an den sich die Bewohner des Planeten noch heute erinnerten, als wäre es gestern gewesen.
Heute... in einer anderen Galaxie
Ardeyn stand im Kontrollraum des kleinen Resonanzschiffes und blickte durch die transparente Wand nach draußen, wo ein gelber Zwerg sein Licht ausstrahlte.
»Es ist wirklich erstaunlich, dass es selbst hier, in einer völlig anderen Galaxie, dieselben Klassen von Sternen gibt wie bei uns, nicht?«, sprach er nachdenklich.
»Eigentlich nicht, wenn man bedenkt, dass alle Galaxien denselben Ursprung haben.« Die Antwort kam nicht von einer Person neben ihm, sondern aus der internen Kommunikation des Schiffes. »Es werden zwar immer wieder neue Typen und Subtypen entdeckt, aber an der grundlegenden Klassifizierung, die bereits von den Magistern gemacht wurde, änderte sich nicht viel.«
»Bist du inzwischen auch in den Gebieten der Astrophysik bewandert?«
Ein leises Lachen drang aus dem Lautsprecher. »Nun, ich hatte viel Zeit, zu lernen.«
Dass er es gelernt hatte, wusste Ardeyn, denn hier besaß Xal-cres keinen Zugriff auf die Datennetze der Koryphäen. Die Verbindungen zur Milchstraße waren auf das Notwendigste beschränkt, denn sie dauerten zu lange und erforderten zu hohe Bandbreite. Xal-am hatte es ihm einmal erklärt, dass es wie Rauchzeichen waren, die von einem Ort zum anderen geschickt wurden, mit derselben Effizienz.
»Ja, über hundert Jahre, stimmt's?«, fragte Ardeyn nach. »Ich war über hundert Jahre in dieser Welt hinter dem Portal und mir kam es wie Stunden vor…« Mittlerweile sah man ihm jedoch nichts mehr von dem hageren Aussehen an. Er hatte einen neuen Klonkörper, der sich noch an die Umgebungsreize und die Nadel in seinem Rücken gewöhnen musste, aber er wirkte nicht mehr gebrochen und resigniert wie damals.
Ze'tox hatte ihm das angetan.
»Wie hast du es geschafft, ihn zu besiegen? Das hast du doch, oder?«, fragte Xal-cres.
Ardeyn schwieg eine Weile. Etwas beschäftigte ihn, wenn er an das Thema dachte; ein Trauma, über das er nicht sprechen wollte. Nicht einmal mit seinem besten Freund. »Reden wir ein andermal drüber, ja? Ich versichere dir aber, dass er uns keine Probleme mehr bereiten wird.«
»Wie du willst, Ardeyn. Das ist das wichtigste. Und, dass es dir gut geht.«
Damit waren sich beide wohl einig.
Vor ihnen zeichnete sich die leicht violette Oberfläche des dritten Planeten des Sonnensystems ab, einem terranischen Planeten mit organischen Lebensformen, der bereits von menschlichen Siedlern bebaut worden war.
»Kommst du mit? Ich würde mir diesen Planeten gerne näher ansehen und kennenlernen.«
»Nein, ich habe hier genug zu tun, aber ich bin immer bei dir, das weißt du«, antwortete Xal-cres mit sanftem Ton.
Ardeyn fragte sich, wieso die Emergenz nicht öfter Gebrauch davon machte, einen voll funktionstüchtigen Pseudoavatar zu erschaffen. Aber mittlerweile wusste er, was Xal-cres meinte, wenn er sagte er wäre beschäftigt – was für einen Menschen etwa bedeutet hätte, drei Dinge gleichzeitig zu tun und drei geplant zu haben, war für die junge Koryphäe etwa zehntausend Dinge gleichzeitig zu tun und ein paar Millionen geplant zu haben und nebenbei mit mehreren Personen verschiedene Gespräche zu führen.
Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie so etwas funktionierte, also ließ er es bleiben und verzichtete auf eine Frage.
»Na gut, ich werde dir berichten wie es war«, sagte Ardeyn zufrieden und schnappte sich seine Jacke.
»Ich freue mich darauf, es aus deinem Mund zu hören.«
Über seine Implantate konnte er Xal-cres jederzeit visuelle und akustische Eindrücke übermitteln, sodass es gar nicht nötig war, dass Xal-cres selbst mit kam. Vermutlich machte es für diesen sogar wenig Unterschied, denn ein Gesandter war nicht mehr er selbst wie eine Kameralinse in Ardenyns Augen.
Und dann begann der Abstieg.
Ardeyn war in den kleinen, tropfenförmigen Springer gestiegen, der ihn auf die Oberfläche des Planeten bringen würde, der in einem schattenhaften blauen Violett unter ihm dalag. Er war überaus gespant auf die Vegetation und die Lebensweise der dort autochtonen Lebensformen.
Sein Springer steuerte die Hauptsiedlung der Menschen an, die Newland genannt worden war, basierend auf einer alten Sprache, die heute keiner mehr beherrschte. Aber Ardeyn glaubte, sich an die Bedeutung zu erinnern, dass sie in etwa so viel wie »Neues Land« bedeutete.
»Gute Reise«, ertönte noch einmal die Stimme von Xal-cres aus dem Springer.
Etwa eine halbe Stunde später landete der Springer in der Transitstation der Stadt; ein provisorisch gebauter Landeturm, der nur wenige Etagen hatte, in denen nur winzige Springer landen konnten, gerade groß genug für den von Ardeyn. Er fand einen Platz, stellte ihn ab und begab sich nach unten.
Die Straßen waren von hier unten weniger violett als es von oben den Anschein erweckt hatte. Allerdings fand Ardeyn durchaus einige Gemeinsamkeiten. Vor allem einige Blumen, die einfach so ihre Gestalt zu verwandeln schienen, wenn der Wind stärker wurde. Offenbar eine praktische Anpassung an die Natur; bei stärkerem Wind wurden ihre Äste weicher, biegsamer, um nicht umgerissen zu werden; bei leichterem Wind wurden sie fester. Er fragte sich, welche wundersamen Morphisierungen es noch geben mochte für einzelne Wetterphänomene, beschloss aber, das Studium der Flora nach hinten zu schieben und sich erst mit dem der anwesenden Menschen zu beschäftigen.
Er war ntürlich nicht nur aus freien Stücken hier; die Kompetenz hatte ihn nach seiner Rückkehr gebeten, die neuen Grenzen zu testen und Bündnisse zu überprüfen und wenn nötig neue Verträge zu schließen, um Frieden zu gewährleisten. Kolonisationen in größerem Ausmaße waren schon immer von ethnischen und moralischen Problemen begleitet gewesen, vor allem, wenn es darum ging, die Interessen aller Beteiligten zu wahren – für so einen Fall brauchte man einen Pazifikator, welcher die Emotionen beider Parteien fühlen konnte und dann die beste Entscheidung für alle herausfinden.
Jetzt allerdings war er aus freien Stücken hier und wollte sich ein wenig entspannen. Die Reise durch den Transit in die andere Galaxie war länger als jeder andere Transit gewesen, den er bisher hinter sich gebracht hatte, und er freute sich tatsächlich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Ein kleineres Haus, an dem außen ein einladendes Schild angebracht war – »Violette Wünsche an einem Tag mit rotem Schnee« – was offenbar der Titel des Pubs war, angepasst an die Farbgebung des Planeten. Es klang sympathisch, und er glaubte, diese Worte irgendwo schon einmal gehört zu haben, doch gerade fiel es ihm nicht ein.
Gespannt betrat er das kleine Gebäude, aus dem bereits fröhliche Tanzmusik erklang, die ihn an seine alten Tage auf der Alten Erde erinnerte, bevor sie zerstört worden war und heute nur noch als Mahnmal und Mausoleum der Alten diente.
Er hätte die Bar am besten als Bar oder Club bezeichnet. Die Musik war laut, dröhnend und hatte einen eindeutigen Rhythmus,d er zum Tanzen einlud. Außerdem war der Geruch von Alkohol nicht zu übersehen.
Langsam schlenderte er zur Theke und setzte sich dort hin. Er war hier, um vor allem die Leute zu beobachten, wie sie sich verhielten, wie sie sich unterhielten und vor allem, welchen Spezies sie angehörten. Menschen sah er tatsächlich am meisten. Einige andere waren Rassen, die er aus der Milchstraße kannte, wie etwa ein Enha-Entalen und ein Isquri, zwei Insektomorphe am Ende, die sich über etwas unterhielten, oder ein Benink, der alleine in einer Ecke stand.
Einige Wesen hatte er noch nie gesehen – etwa eine Reptiloidin mit einem Kamm auf dem Kopf, der die Farbe zur Musik passend wechselte, und drei peitschenartigen gedornten Schwänzen.
Da waren noch mehr, denn der Club hatte einen weiteren Raum nach hinten, offenbar für die gemütlichen Gäste, die sich dort nach ihrem Alkoholabusus nun auch noch eine Tabakvergiftung zuziehen wollten.
Ardeyn bestellte sich ein Glas Kürbisschnapps. Das erinnerte ihn an seine Heimat, wo er diesen selbst angepflanzt hatte, doch er wurde enttäuscht.
Der Schnapps war nicht annähernd so gut wie er es gewöhnt war.
Stumm blickte er sich um und beobachtete die Menge.
»Und du bist sicher, dass du das tun willst?«
»Ich sehe keine andere Wahl, du etwa?«
Der hagere Mann stand neben dem jüngeren mit den langen schwarzen Haaren, die nach hinten zusammen gebunden waren. Etwas weiter hinten stand ein weiterer Mann, der gewisse Ähnlichkeiten mit dem jüngeren hatte, aber in seinen Augen lag eine Tiefe, die davon sprach, dass er bereits sehr viel erlebt haben musste – mehr als sein optisches Alter zuließ. Neben ihm stand eine Frau mittleren Alters, mit besorgter Miene und traurigem Ausdruck in den Augen.
Selbiges galt auch für den hageren Mann mit den schulterlangen dunkelbraunen Haaren und den grünen Augen, welche trist auf das in Stein gemeisselte Portal mit den vielen unbekannten Schriftzeichen starrten. Er vermied es, den vierten Mann anzusehen, der siegessicher vor dem Portal stand und abwartend auf die beiden in der Mitte herab blickte. Um sie herum war leise das blubbernde Magma des inaktiven Vulkanes zu hören, in dessen Mitte sie sich befanden.
»Ich werde dich vermissen«, sprach der Jüngere leise, weil er nicht wollte, dass die anderen seine Worte hörten, die nur dem anderen galten.
Der optisch ältere zögerte kurz, dann nickte er – und dann legte er die Arme um den jüngeren, der überrascht wirkte.
»Seid ihr bald fertig? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«, rief der Mann vor dem Portal mit eindeutiger Ungeduld.
Der Mann löste sich von dem Jüngeren ein wenig widerwillig und blickte dann geradeaus, machte einige Schritte auf den blonden Mann zu. »Ich bin bereit.«
»Gut. Zeit wird es.« Der Blonde streckte die Hand aus und ohne zu warten zog er den anderen mit sich in Richtung des Portales.
Kurz davor hielt er inne und blickte zu den beiden hinten stehenden Personen. »Den Schlüssel, wenn ich bitten darf!«, rief er ihnen zu.
Mit grimmiger, resoluter Miene holte der Schwarzhaarige in der hinteren Reihe ein Gerät unter seinem langen Mantel hervor, der in Anbetracht der Umgebung fehl am Platze wirkte, und platzierte ihn auf einem Podest direkt vor dem Portal.
Die Frau warf ihm einen unsicheren, teilweise vorwurfsvollen Blick zu, der an dem autoritär wirkenden Mann geradezu wirkungslos abzuprallen schien. Wenn er davon beeindruckt war, zeigte er es nicht.
»Ich danke euch, für eure Kooperation, und verspreche, niemandem etwas anzutun, wenn ich zurück bin!«, säuselte der Blonde, der den dürren Mann am Arm gepackt hatte.
Die letzten Wochen in Gefangenschaft hatten an ihm gezehrt; er wirkte, als würde er nur noch aus Knochen und Haut bestehen, ein lebendes Gerippe, das nichts mehr zu verlieren hatte.
»Meine einzige Bitte – ich hoffe, ihr seid nicht mehr da, wenn ich gleich zurückkomme. Sonst bin ich nicht sicher, ob ich mich daran halten kann. Ihr versteht sicherlich. Ich muss Vorsichtsmaßnahmen treffen…« Ein hämisches Grinsen legte sich auf die Züge des Sprechers, der genau wissen zu schien, was er tat.
Keiner der anderen Anwesenden brachte einen Einwand vor. Alle starrten gebannt auf das steinerne Portal, in welchem sich durch die Aktivierung des Podestes eine silbrige Flüssigkeit zu bilden schien, durch welche die Mauer nicht mehr zu sehen war.
Stattdessen zeichnete sich dort nun etwas anderes ab, das für die Augen der Anwesenden keinen Sinn ergab – es waren bunte Schlieren einer farbenfrohen Welt zu sehen, die scheinbar keinen Sinn ergaben; Formen und Farben, die es hier nicht gab und für die auch niemand Worte gefunden hätte, um sie zu beschreiben.
»Adios, Amigos – oder sagt man das nicht so in einer eurer Sprachen?« Der Blonde lachte, dann sprang er mit dem Hageren einfach durch das silberne Portal und war verschwunden.
Hundert Jahre hörte und sah niemand mehr etwas von den beiden.
Und dann geschah es, plötzlich, eines Nachts, ohne Vorwarnung.
Es war ein Vorfall gewesen, an den sich die Bewohner des Planeten noch heute erinnerten, als wäre es gestern gewesen.
Heute... in einer anderen Galaxie
Ardeyn stand im Kontrollraum des kleinen Resonanzschiffes und blickte durch die transparente Wand nach draußen, wo ein gelber Zwerg sein Licht ausstrahlte.
»Es ist wirklich erstaunlich, dass es selbst hier, in einer völlig anderen Galaxie, dieselben Klassen von Sternen gibt wie bei uns, nicht?«, sprach er nachdenklich.
»Eigentlich nicht, wenn man bedenkt, dass alle Galaxien denselben Ursprung haben.« Die Antwort kam nicht von einer Person neben ihm, sondern aus der internen Kommunikation des Schiffes. »Es werden zwar immer wieder neue Typen und Subtypen entdeckt, aber an der grundlegenden Klassifizierung, die bereits von den Magistern gemacht wurde, änderte sich nicht viel.«
»Bist du inzwischen auch in den Gebieten der Astrophysik bewandert?«
Ein leises Lachen drang aus dem Lautsprecher. »Nun, ich hatte viel Zeit, zu lernen.«
Dass er es gelernt hatte, wusste Ardeyn, denn hier besaß Xal-cres keinen Zugriff auf die Datennetze der Koryphäen. Die Verbindungen zur Milchstraße waren auf das Notwendigste beschränkt, denn sie dauerten zu lange und erforderten zu hohe Bandbreite. Xal-am hatte es ihm einmal erklärt, dass es wie Rauchzeichen waren, die von einem Ort zum anderen geschickt wurden, mit derselben Effizienz.
»Ja, über hundert Jahre, stimmt's?«, fragte Ardeyn nach. »Ich war über hundert Jahre in dieser Welt hinter dem Portal und mir kam es wie Stunden vor…« Mittlerweile sah man ihm jedoch nichts mehr von dem hageren Aussehen an. Er hatte einen neuen Klonkörper, der sich noch an die Umgebungsreize und die Nadel in seinem Rücken gewöhnen musste, aber er wirkte nicht mehr gebrochen und resigniert wie damals.
Ze'tox hatte ihm das angetan.
»Wie hast du es geschafft, ihn zu besiegen? Das hast du doch, oder?«, fragte Xal-cres.
Ardeyn schwieg eine Weile. Etwas beschäftigte ihn, wenn er an das Thema dachte; ein Trauma, über das er nicht sprechen wollte. Nicht einmal mit seinem besten Freund. »Reden wir ein andermal drüber, ja? Ich versichere dir aber, dass er uns keine Probleme mehr bereiten wird.«
»Wie du willst, Ardeyn. Das ist das wichtigste. Und, dass es dir gut geht.«
Damit waren sich beide wohl einig.
Vor ihnen zeichnete sich die leicht violette Oberfläche des dritten Planeten des Sonnensystems ab, einem terranischen Planeten mit organischen Lebensformen, der bereits von menschlichen Siedlern bebaut worden war.
»Kommst du mit? Ich würde mir diesen Planeten gerne näher ansehen und kennenlernen.«
»Nein, ich habe hier genug zu tun, aber ich bin immer bei dir, das weißt du«, antwortete Xal-cres mit sanftem Ton.
Ardeyn fragte sich, wieso die Emergenz nicht öfter Gebrauch davon machte, einen voll funktionstüchtigen Pseudoavatar zu erschaffen. Aber mittlerweile wusste er, was Xal-cres meinte, wenn er sagte er wäre beschäftigt – was für einen Menschen etwa bedeutet hätte, drei Dinge gleichzeitig zu tun und drei geplant zu haben, war für die junge Koryphäe etwa zehntausend Dinge gleichzeitig zu tun und ein paar Millionen geplant zu haben und nebenbei mit mehreren Personen verschiedene Gespräche zu führen.
Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie so etwas funktionierte, also ließ er es bleiben und verzichtete auf eine Frage.
»Na gut, ich werde dir berichten wie es war«, sagte Ardeyn zufrieden und schnappte sich seine Jacke.
»Ich freue mich darauf, es aus deinem Mund zu hören.«
Über seine Implantate konnte er Xal-cres jederzeit visuelle und akustische Eindrücke übermitteln, sodass es gar nicht nötig war, dass Xal-cres selbst mit kam. Vermutlich machte es für diesen sogar wenig Unterschied, denn ein Gesandter war nicht mehr er selbst wie eine Kameralinse in Ardenyns Augen.
Und dann begann der Abstieg.
Ardeyn war in den kleinen, tropfenförmigen Springer gestiegen, der ihn auf die Oberfläche des Planeten bringen würde, der in einem schattenhaften blauen Violett unter ihm dalag. Er war überaus gespant auf die Vegetation und die Lebensweise der dort autochtonen Lebensformen.
Sein Springer steuerte die Hauptsiedlung der Menschen an, die Newland genannt worden war, basierend auf einer alten Sprache, die heute keiner mehr beherrschte. Aber Ardeyn glaubte, sich an die Bedeutung zu erinnern, dass sie in etwa so viel wie »Neues Land« bedeutete.
»Gute Reise«, ertönte noch einmal die Stimme von Xal-cres aus dem Springer.
Etwa eine halbe Stunde später landete der Springer in der Transitstation der Stadt; ein provisorisch gebauter Landeturm, der nur wenige Etagen hatte, in denen nur winzige Springer landen konnten, gerade groß genug für den von Ardeyn. Er fand einen Platz, stellte ihn ab und begab sich nach unten.
Die Straßen waren von hier unten weniger violett als es von oben den Anschein erweckt hatte. Allerdings fand Ardeyn durchaus einige Gemeinsamkeiten. Vor allem einige Blumen, die einfach so ihre Gestalt zu verwandeln schienen, wenn der Wind stärker wurde. Offenbar eine praktische Anpassung an die Natur; bei stärkerem Wind wurden ihre Äste weicher, biegsamer, um nicht umgerissen zu werden; bei leichterem Wind wurden sie fester. Er fragte sich, welche wundersamen Morphisierungen es noch geben mochte für einzelne Wetterphänomene, beschloss aber, das Studium der Flora nach hinten zu schieben und sich erst mit dem der anwesenden Menschen zu beschäftigen.
Er war ntürlich nicht nur aus freien Stücken hier; die Kompetenz hatte ihn nach seiner Rückkehr gebeten, die neuen Grenzen zu testen und Bündnisse zu überprüfen und wenn nötig neue Verträge zu schließen, um Frieden zu gewährleisten. Kolonisationen in größerem Ausmaße waren schon immer von ethnischen und moralischen Problemen begleitet gewesen, vor allem, wenn es darum ging, die Interessen aller Beteiligten zu wahren – für so einen Fall brauchte man einen Pazifikator, welcher die Emotionen beider Parteien fühlen konnte und dann die beste Entscheidung für alle herausfinden.
Jetzt allerdings war er aus freien Stücken hier und wollte sich ein wenig entspannen. Die Reise durch den Transit in die andere Galaxie war länger als jeder andere Transit gewesen, den er bisher hinter sich gebracht hatte, und er freute sich tatsächlich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Ein kleineres Haus, an dem außen ein einladendes Schild angebracht war – »Violette Wünsche an einem Tag mit rotem Schnee« – was offenbar der Titel des Pubs war, angepasst an die Farbgebung des Planeten. Es klang sympathisch, und er glaubte, diese Worte irgendwo schon einmal gehört zu haben, doch gerade fiel es ihm nicht ein.
Gespannt betrat er das kleine Gebäude, aus dem bereits fröhliche Tanzmusik erklang, die ihn an seine alten Tage auf der Alten Erde erinnerte, bevor sie zerstört worden war und heute nur noch als Mahnmal und Mausoleum der Alten diente.
Er hätte die Bar am besten als Bar oder Club bezeichnet. Die Musik war laut, dröhnend und hatte einen eindeutigen Rhythmus,d er zum Tanzen einlud. Außerdem war der Geruch von Alkohol nicht zu übersehen.
Langsam schlenderte er zur Theke und setzte sich dort hin. Er war hier, um vor allem die Leute zu beobachten, wie sie sich verhielten, wie sie sich unterhielten und vor allem, welchen Spezies sie angehörten. Menschen sah er tatsächlich am meisten. Einige andere waren Rassen, die er aus der Milchstraße kannte, wie etwa ein Enha-Entalen und ein Isquri, zwei Insektomorphe am Ende, die sich über etwas unterhielten, oder ein Benink, der alleine in einer Ecke stand.
Einige Wesen hatte er noch nie gesehen – etwa eine Reptiloidin mit einem Kamm auf dem Kopf, der die Farbe zur Musik passend wechselte, und drei peitschenartigen gedornten Schwänzen.
Da waren noch mehr, denn der Club hatte einen weiteren Raum nach hinten, offenbar für die gemütlichen Gäste, die sich dort nach ihrem Alkoholabusus nun auch noch eine Tabakvergiftung zuziehen wollten.
Ardeyn bestellte sich ein Glas Kürbisschnapps. Das erinnerte ihn an seine Heimat, wo er diesen selbst angepflanzt hatte, doch er wurde enttäuscht.
Der Schnapps war nicht annähernd so gut wie er es gewöhnt war.
Stumm blickte er sich um und beobachtete die Menge.