29.01.2023, 09:50 - Wörter:
Als Galina die nächste Akte in die Hand nahm, entwich ihr ein tiefes Seufzen. Das hatte die Kollegin also damit gemeint, als sie von liegengebliebenen Unannehmlichkeiten gesprochen hatte. Galina blätterte die ersten Seiten durch und verfluchte ihr zweiwöchige Abwesenheit für einen kurzen Moment. Gleichzeitig schlug ihr Herz schneller und sie knetete nervös ihre Finger.
Ihre Arbeit in der Stadtverwaltung hatte vollkommen normal angefangen. Die üblichen Tätigkeiten, gewöhnlichen Abläufe, eine Menge Kaffee. Dann war die Welt aus den Fugen geraten. Gerüchte und Verschwörungstheorien hatte es immer schon gegeben, auf Social-Media-Kanälen jeglicher Art waren immer schon Texte, Bilder und Videos über merkwürdige Phänomene aufgetaucht, vermeintliche Beweise, dass unsere Welt nicht nur aus dem Offensichtlichen bestand. Die meisten Menschen hatten es stets als Unsinn und Phantasien abgetan. Bis die Beweise sich gehäuft hatten. Bis die immer weiter voranschreitende Digitalisierung und Technologisierung es den Wesen in den Schatten unmöglich gemacht hatte, im Verborgenen zu bleiben. Manche von ihnen waren gut, manche böse. Es hatte geheime, nicht minder moralisch ambivalente Jägergruppierungen gegeben, die für Ordnung gesorgt hatten. Ein halbwegs stabiles Gleichgewicht hatte über Jahrhunderte hinweg existiert. Bis sich vor ein paar Jahren nicht mehr alles unter dem Deckmantel der Geheimhaltung hatte regeln lassen. Verschiedene Institutionen hatten davon Wind bekommen, letztendlich waren Regierungen informiert worden und der gesamte Prozess viel zu schnell in Fahrt gekommen, um da noch irgendetwas geheim zu halten. Mehr Eingeweihte, mehr Lücken. Und so hatte man in den letzten Jahren kein Geheimnis mehr daraus gemacht und lieber die dadurch aufkeimenden Unsicherheiten in Kauf genommen und Probleme offiziell zu regeln versucht, als weiter im Geheimen zu operieren.
Beteiligte auf allen Seiten hatten gemischte Meinungen zu diesem Fortschritt, aber niemand konnte ihn noch aufhalten und es brauchte noch mal eine ganz andere Art von Fingerspitzen- und Feingefühl, um die Gesellschaft auf einem guten Kurs zu halten.
An dieser Stelle kam Galina wieder ins Spiel, denn sie arbeitete in der Abteilung der Stadtverwaltung, die sich mit magischen Wesen befasste, Kontakt zu Jägergruppen hatte und deren Aktivitäten mitüberwachte, denn natürlich durfte nun nicht mehr auf alles losgegangen werden, das übernatürlich aussah. Es war ein schwieriges Feld und hatte Galinas Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. Denn auch sie hatte Magie und alles, was damit zusammenhing, eher für Träume, Geschichten und Phantasien gehalten. Bis ihr Arbeitgeber mit vollkommen abstrusen Behauptungen, Instruktionen und Schulungen auf sie zugekommen war.
Inzwischen hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt und machte ihre Arbeit so gut wie möglich. Denn für Ordnung und ein gemäßigtes Miteinander zu sorgen konnte für alle Spezies nur von Vorteil sein. Auch wenn es sie manchmal noch überforderte, hatte sie niemals ernstlich daran gedacht zu kündigen. Sie wollte ihren Beitrag leisten. Soweit, herauszufinden, ob sie selbst vielleicht sogar Bezüge zur magischen Welt hatte, war sie allerdings noch nicht. Es würde bedeuten, Kontakt zu manchen Teilen der Familie aufzunehmen, was sich sehr kompliziert gestalten würde. Es zöge Entschuldigungen, noch mehr schlechtes Gewissen und Konfrontation mit – wohl berechtigtem – Ärger nach sich und für diese Baustelle fühlte sie sich noch nicht bereit. Nicht, solange ein Teil von ihr immer noch zu begreifen versuchte, was in den letzten Jahren eigentlich geschehen war.
„Du gehörst eigentlich überhaupt nicht auf meinen Tisch“, murmelte sie die Akte schließlich fast schon hilflos an.
Ein gestaltwandelndes Wesen, das mit Polizei und anderen Behörden offensichtlich einen Deal ausgehandelt hatte, um nicht im Gefängnis zu landen, sondern bei der Unterstützung nach böswilligeren magischen Personen zu suchen und sie zu verhaften. Das war definitiv nicht ihr Schreibtisch, auf dem so etwas liegen sollte. Das gehörte eine Etage weiter nach oben! Leider hatte Galinas Urlaubsvertretung allerdings eine Menge – wohl unbeabsichtigtes – Chaos angerichtet, den Fall hier als korrekt vorliegend angenommen und auch schon angefangen, mit dieser Person zu arbeiten, die ersten Daten aufgenommen und sie wieder einbestellt. Was bedeutete, das geschah, was gerne passierte, wenn mehr Arbeit irgendwo unterkam: Sie wurde gleich dort belassen, denn nun hatten die ersten Schritte ja sowieso schon stattgefunden und eigentlich könnten sich ja auch andere Büros zusätzlich damit befassen und die Person war ja auch sowieso kein Mörder oder so, also war es nun nicht dramatisch, dass auch andere Abteilungen und Mitarbeitende so noch mehr mit eingebunden wurden. Galina solle es doch als Entwicklungspotential sehen.
Sie fand, dass sie sich in den letzten Jahren genug entwickelt hatte, war nun aber auch nicht auf einen knallharten Streit ausgewesen. Und sowieso saß diese Person jetzt wohl auch schon draußen und wartete darauf, dass sich irgendjemand mit ihr befasste, so dass es unglücklich wäre, sie jetzt noch hin und her zu jagen, während sich niemand zuständig fühlte. Galina wollte nicht noch den Passierschein A-38 ausstellen müssen …
Also atmete sie noch mal tief durch, gab sich einen Ruck, trank den letzten Schluck Kaffee und betätigte dann schließlich das Signal, das den Wartenden draußen signalisierte, welche Nummer als nächstes ins Büro gerufen wurde. Und das war in diesem Fall besagte Person, zu der Galina die Akte nun vor sich liegen hatte. Ein bisschen war sie nun schon auch gespannt, wen sie da eigentlich vor sich sitzen haben würde. Und ob überhaupt jemand kam. Manchmal hielten die Leute ihre Termine dann ja doch nicht ein. In so einem Fall würde Galina es natürlich nach oben geben müssen, denn es lagen durch die Vereinbarungen Deals vor, die nicht gebrochen werden durften.
Ihre Arbeit in der Stadtverwaltung hatte vollkommen normal angefangen. Die üblichen Tätigkeiten, gewöhnlichen Abläufe, eine Menge Kaffee. Dann war die Welt aus den Fugen geraten. Gerüchte und Verschwörungstheorien hatte es immer schon gegeben, auf Social-Media-Kanälen jeglicher Art waren immer schon Texte, Bilder und Videos über merkwürdige Phänomene aufgetaucht, vermeintliche Beweise, dass unsere Welt nicht nur aus dem Offensichtlichen bestand. Die meisten Menschen hatten es stets als Unsinn und Phantasien abgetan. Bis die Beweise sich gehäuft hatten. Bis die immer weiter voranschreitende Digitalisierung und Technologisierung es den Wesen in den Schatten unmöglich gemacht hatte, im Verborgenen zu bleiben. Manche von ihnen waren gut, manche böse. Es hatte geheime, nicht minder moralisch ambivalente Jägergruppierungen gegeben, die für Ordnung gesorgt hatten. Ein halbwegs stabiles Gleichgewicht hatte über Jahrhunderte hinweg existiert. Bis sich vor ein paar Jahren nicht mehr alles unter dem Deckmantel der Geheimhaltung hatte regeln lassen. Verschiedene Institutionen hatten davon Wind bekommen, letztendlich waren Regierungen informiert worden und der gesamte Prozess viel zu schnell in Fahrt gekommen, um da noch irgendetwas geheim zu halten. Mehr Eingeweihte, mehr Lücken. Und so hatte man in den letzten Jahren kein Geheimnis mehr daraus gemacht und lieber die dadurch aufkeimenden Unsicherheiten in Kauf genommen und Probleme offiziell zu regeln versucht, als weiter im Geheimen zu operieren.
Beteiligte auf allen Seiten hatten gemischte Meinungen zu diesem Fortschritt, aber niemand konnte ihn noch aufhalten und es brauchte noch mal eine ganz andere Art von Fingerspitzen- und Feingefühl, um die Gesellschaft auf einem guten Kurs zu halten.
An dieser Stelle kam Galina wieder ins Spiel, denn sie arbeitete in der Abteilung der Stadtverwaltung, die sich mit magischen Wesen befasste, Kontakt zu Jägergruppen hatte und deren Aktivitäten mitüberwachte, denn natürlich durfte nun nicht mehr auf alles losgegangen werden, das übernatürlich aussah. Es war ein schwieriges Feld und hatte Galinas Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. Denn auch sie hatte Magie und alles, was damit zusammenhing, eher für Träume, Geschichten und Phantasien gehalten. Bis ihr Arbeitgeber mit vollkommen abstrusen Behauptungen, Instruktionen und Schulungen auf sie zugekommen war.
Inzwischen hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt und machte ihre Arbeit so gut wie möglich. Denn für Ordnung und ein gemäßigtes Miteinander zu sorgen konnte für alle Spezies nur von Vorteil sein. Auch wenn es sie manchmal noch überforderte, hatte sie niemals ernstlich daran gedacht zu kündigen. Sie wollte ihren Beitrag leisten. Soweit, herauszufinden, ob sie selbst vielleicht sogar Bezüge zur magischen Welt hatte, war sie allerdings noch nicht. Es würde bedeuten, Kontakt zu manchen Teilen der Familie aufzunehmen, was sich sehr kompliziert gestalten würde. Es zöge Entschuldigungen, noch mehr schlechtes Gewissen und Konfrontation mit – wohl berechtigtem – Ärger nach sich und für diese Baustelle fühlte sie sich noch nicht bereit. Nicht, solange ein Teil von ihr immer noch zu begreifen versuchte, was in den letzten Jahren eigentlich geschehen war.
„Du gehörst eigentlich überhaupt nicht auf meinen Tisch“, murmelte sie die Akte schließlich fast schon hilflos an.
Ein gestaltwandelndes Wesen, das mit Polizei und anderen Behörden offensichtlich einen Deal ausgehandelt hatte, um nicht im Gefängnis zu landen, sondern bei der Unterstützung nach böswilligeren magischen Personen zu suchen und sie zu verhaften. Das war definitiv nicht ihr Schreibtisch, auf dem so etwas liegen sollte. Das gehörte eine Etage weiter nach oben! Leider hatte Galinas Urlaubsvertretung allerdings eine Menge – wohl unbeabsichtigtes – Chaos angerichtet, den Fall hier als korrekt vorliegend angenommen und auch schon angefangen, mit dieser Person zu arbeiten, die ersten Daten aufgenommen und sie wieder einbestellt. Was bedeutete, das geschah, was gerne passierte, wenn mehr Arbeit irgendwo unterkam: Sie wurde gleich dort belassen, denn nun hatten die ersten Schritte ja sowieso schon stattgefunden und eigentlich könnten sich ja auch andere Büros zusätzlich damit befassen und die Person war ja auch sowieso kein Mörder oder so, also war es nun nicht dramatisch, dass auch andere Abteilungen und Mitarbeitende so noch mehr mit eingebunden wurden. Galina solle es doch als Entwicklungspotential sehen.
Sie fand, dass sie sich in den letzten Jahren genug entwickelt hatte, war nun aber auch nicht auf einen knallharten Streit ausgewesen. Und sowieso saß diese Person jetzt wohl auch schon draußen und wartete darauf, dass sich irgendjemand mit ihr befasste, so dass es unglücklich wäre, sie jetzt noch hin und her zu jagen, während sich niemand zuständig fühlte. Galina wollte nicht noch den Passierschein A-38 ausstellen müssen …
Also atmete sie noch mal tief durch, gab sich einen Ruck, trank den letzten Schluck Kaffee und betätigte dann schließlich das Signal, das den Wartenden draußen signalisierte, welche Nummer als nächstes ins Büro gerufen wurde. Und das war in diesem Fall besagte Person, zu der Galina die Akte nun vor sich liegen hatte. Ein bisschen war sie nun schon auch gespannt, wen sie da eigentlich vor sich sitzen haben würde. Und ob überhaupt jemand kam. Manchmal hielten die Leute ihre Termine dann ja doch nicht ein. In so einem Fall würde Galina es natürlich nach oben geben müssen, denn es lagen durch die Vereinbarungen Deals vor, die nicht gebrochen werden durften.